Geh wählen, weil alle zählen: Am 26. September ist Bundestagswahl!

21. September 2021

Am Sonntag, den 26. September 2021, findet eine richtungsweisende Bundestagswahl statt. Seit Wochen können wir die Trielle der drei Bundeskanzler-Kandidat:innen im Fernsehen schauen und viel über die Wahl in der Zeitung lesen. Doch was steht eigentlich in den Wahlprogrammen der großen Parteien, was für Menschen mit Behinderung interessant sein könnte - zumal bei dieser Wahl mehr Menschen mit Behinderung wählen dürfen?

Artjom Kirchgesner ist Beschäftigter der Werkstatt Bassum und arbeitet am Empfang und im delmeshop. Er hat vor kurzem ein Praktikum in der Unternehmenskommunikation gemacht und sich bei einer Recherche den verschiedenen Wahlprogrammen gewidmet. Artjom Kirchgesner ist blind, insofern war es auch interessant und wichtig zu wissen, ob er die Programme im Internet überhaupt lesen konnte bzw. sich vorlesen lassen konnte.

Dies ist das Ergebnis von Artjom Kirchgesners Recherche, zum Teil ergänzt durch die Delme-Unternehmenskommunikation: "Ich habe versucht die Thesen und Aussagen der Parteien mit meinen Worten zu beschreiben, es war nicht immer einfach, denn die Parteiprogramme sind doch in einer schweren Sprache geschrieben. Ich habe alles gegeben.", so Kirchgesner.

Bei der Präsentation der Partei-Wahlprogramme folgen wir dem Vorschlag der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, die diese ebenfalls in der Reihenfolge des Ergebnisses bei der letzten Bundestagswahl in 2017 auf ihrer Website aufführt.

Die Delme-Werkstätten sind Mitunterzeichnende des Bündnisses "WIR für Menschlichkeit und Vielfalt", das sich unter anderem von der "Menschen- und Lebensfeindlichkeit", die von der Partei AFD und anderen rechten Bewegungen geduldet oder gar gefördert wird, abgrenzt. Damit Sie sich hier aber ein einigermaßen umfassendes Bild der Wahlprogramme bilden können, führen wir hier auch die AFD auf.

 

CDU / CSU

Artjom Kirchgesner:

Das Wahlprogramm der CDU kann ich leider nicht herunterladen. 

Das Wahlprogramm der CDU in leichter Sprache erwähnt Menschen mit Behinderung überhaupt nicht. 

Auf der Homepage der CDU werden Menschen mit Behinderung überhaupt nicht erwähnt.

Delme-Unternehmenskommunikation:

Die CDU/CSU hat ein Wahlprogramm in übersetzter und geprüfter leichter Sprache herausgegeben. Darin gibt es zwei Textstellen über Menschen mit „Beeinträchtigung“, so die Formulierung der CDU/CSU:

Sie möchte, dass Menschen mit Beeinträchtigung „leichter mit Bus und Zug fahren“ und „Sport-Anlagen gut nutzen“ können sollen.

Die Informationen der CDU in Bezug auf Menschen mit Behinderung sind in der Tat nicht sofort zu finden. In ihrem Wahlprogramm in schwerer Sprache finden sich aber auch Positionen hierzu:

Im Sinne der Versorgung mit ausreichend Fachkräften setzt die CDU u. a. auch auf mehr Beschäftigung von Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Unter dem Stichwort „Inklusion im Alltag leben“ setzt sich die CDU sich ein für:

• Barrierefreiheit im ÖPNV

• die Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsgesetzes

• einen inklusiven ersten Arbeitsmarkt

• den Erhalt von Werkstätten

• Neuregelung des Werkstattlohns, Aufhebung der Deckelung des Arbeitsförderungsgeldes

• Barrierefreie digitale Zugänge und Medienvielfalt im Sinne von informatorischer Selbstbestimmung

Außerdem möchte die CDU mehr Menschen mit Behinderung ins Ehrenamt bringen.

 

SPD

Artjom Kirchgesner:

Die SPD sagt:

- die Digitalisierung muss für alle zugänglich sein, das heißt, zur Teilhabe an digitaler Welt gehört Barrierefreiheit dazu.

- die Volkshochschulen müssen barrierefrei sein, damit digitale Inklusion an den Volkshochschulen möglich ist.

Die SPD sagt in ihrem Wahlprogramm zur Mobilität für Menschen mit Behinderung Folgendes: Die SPD will den öffentlichen Nahverkehr ortsnah ausbauen und barrierefrei machen. An Knotenpunkten will die SPD die Bus- und Bahnsteige barrierefrei machen.

Delme-Unternehmenskommunikation:

Die SPD hat ein Wahlprogramm in leichter Sprache herausgegeben, das übersetzt und geprüft wurde. Darin schreibt sie an vier Stellen über Menschen mit Behinderung:

Sie möchte eine „Gesellschaft für alle“, zu der sie ausdrücklich Menschen mit Behinderung zählt.

Alle Menschen, auch Menschen mit Behinderung- sollen „in Deutschland gut leben können. Und die Hilfe bekommen, die sie brauchen.“

Die SPD möchte in der europäischen Sozial-Politik mit anderen europäischen Ländern zusammenarbeiten, damit z. B. Menschen mit Behinderung Hilfe bekommen.

In ihrem Wahlprogramm in schwerer Sprache spricht sich die SPD für eine Gesellschaft des Respekts aus, die gegen jegliche Form der Diskriminierung ist und ausdrücklich Menschen mit Behinderung einschließt. Sie möchte Unterstützungsleistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung.

Die SPD will für Menschen mit Behinderung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die Schwerbehindertenvertretungen stärken sowie die Weiterentwicklung der Ausgleichsabgabe unterstützen. Sie spricht sich für eine einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber:innen aus, die zu Barrierefreiheit oder Lohnzuschüssen beraten soll. 

Es soll ein Bundesprogramm Barrierefreiheit initiiert werden, das vor allem die Kommunen unterstützen soll.

 

AFD

Artjom Kirchgesner:

Von der AFD gibt es nur ein Wahlprogramm in schwerer Sprache.

Die AFD sagt in ihrem Wahlprogramm: Wenn Firmen Menschen mit Behinderung einstellen, sollen die Firmen eine Bonuszahlen erhalten. Die Löhne für Menschen mit Behinderung sollen in den Unternehmen fair sein.

Die AFD will, dass „Förder- und Sonderschulen“ in Deutschland erhalten bleiben. Sie sagt, dass Kinder „mit besonderem Förderbedarf“ an Förderschulen besser als an Regelschulen lernen können. Deshalb „müssen“ Förderschulen in Deutschland zum Regelfall für „Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf“ werden.

Die AFD will die Beantragung von Hilfsmitteln abschaffen und stattdessen einen Festbetrag einführen. Menschen mit Behinderung sollen in Krankenhäusern und Rehaeinrichtungen besser betreut werden. Dafür will die AFD eine Sozialassistenz schaffen, damit Angehörige entlastet werden.

 

FDP

Artjom Kirchgesner:

Die FDP sagt in ihrem Wahlprogramm [in schwerer Sprache]: Die FDP will die Arbeitswelt modern für alle Menschen gestalten. Auch für Menschen mit Behinderung. Das soll durch Leistung aller geschehen. Die FDP sagt im Wahlprogramm, so sollen alle die gleichen Chancen haben. 

Die FDP will ein Diversity Management in Firmen (Management der Vielfalt) einführen. Das Diversity Management soll ein Aufstieg für alle ermöglichen, auch für Menschen mit Behinderung. 

Die FDP sagt im Wahlprogramm: Im öffentlichen Dienst soll es einen Behindertenbeauftragten geben.

Die FDP will eine bessere Beratung und Arbeitsvermittlung für Menschen mit Behinderung. Die Vorbereitung auf die Arbeit muss schon in der Schule beginnen. 

Die FDP will die praxistauglichere Ausgestaltung des Budgets für Arbeit und eine praxisnahe Arbeitsvermittlung und Begleitung. Damit sollen für rund 300000 Menschen mit Behinderung, die in einer Behindertenwerkstatt arbeiten, die Chancen für eine reguläre Arbeit verbessert werden.

Zum Thema Bildung sagt die FDP: Eltern sollen selber entscheiden, ob sie ihre Kinder und Jugendlichen mit Behinderung zur Förder- oder Regelschule schicken. Deshalb sollen die Förderschulen in Deutschland erhalten bleiben.

Die FDP fordert den öffentlichen Raum barrierefrei zu machen. Damit Menschen mit Behinderung und Kinder und Jugendliche, aber auch alte Menschen sich gut von A nach B bewegen können.

Delme-Unternehmenskommunikation:

Die FDP hat auch ein Kurz-Wahlprogramm in leichter Sprache herausgegeben. Darin tauchen die Punkte Wirtschaft, Schule, modernes Deutschland und Nachhaltigkeit auf.

An einer Stelle schreibt die FDP über Menschen mit Behinderung. Sie möchte eine bessere Gesundheits-Versorgung, zum Beispiel mit Krankengymnastik für die Menschen „damit ihre Behinderung nicht schlimmer wird.“

 

DIE LINKE

Artjom Kirchgesner:

Das Wahlprogramm der Linken ist überhaupt nicht zugänglich für mich.

Auf ihrer Homepage schreibt die LINKE zur Arbeit für Menschen mit Behinderungen Folgendes:

Die Linke wollen die Arbeitswelt, also den Arbeitsmarkt inklusiver machen. Die Arbeitgeber sollen mehr Menschen mit Behinderung in ihren Unternehmen einstellen können. Damit das gelingt wollen die Linke die Ausgleichabgabe ausweiten. Die Mittel der Ausgleichsabgabe sollen dafür genutzt werden, um eine Sicherung der Inklusive Bedingungen zu schaffen. Die Mittel sollen nicht für die institutionelle Förderung verwendet werden, sondern für den allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Die Linke will Inklusionsunternehmen stärker fördern und das System der Werkstatt für behinderte Menschen abbauen. Menschen, die in einer Werkstatt oder Inklusionsunternehmen arbeiten, müssen den Mindestlohn erhalten können. 

Um das Ganze durchzusetzen, sollen Fördermaßnahmen und Pläne erstellt werden. Zur Umsetzung dieser Forderungen will die Linke die Rechte der Werkstatträte stärken. Die Werkstatträte sollen die gleichen Rechte haben wie ein Betriebsrat.

Die Linke setzt sich für ein inklusives Schulsystem ein, in dem jeder individuell lernen kann. Sie ist für eine barrierefreie Schule, in der alle Kinder und Jugendliche gemeinsam lernen können.

Die Linke will die Förderschulen verringern, um mehr Inklusive Schulen zu fördern. An inklusiven Schulen sollen Kinder und Jugendliche gut gefördert werden. Damit das gut gelingen kann, wollen die Linke zwei Lehrkräfte statt einer Lehrkraft in der Klasse haben.

Die Digitalisierung soll für Menschen mit Behinderung zugänglich und barrierefrei sein. Damit alle die Digitalisierung nutzen können. Menschen mit Behinderung haben das Recht auf eine barrierefreie Digitalisierung in allen Bereichen der Digitalen Welt.

Die Linke will sich für eine diskriminierungsfreie Kultur einsetzten. In der Kultur sollen Menschen mit Behinderung die gleichen Chancen haben wie die anderen. Die Kultur soll in allen Bereichen barrierefrei werden. Die Linke fordern, dass Kultureinrichtungen barrierefrei sein müssen.

Die Linke wollen die Beitragsbefreiung für Berechtigte mit öffentlichen Mitteln kompensieren und automatisieren sowie auf soziale Einrichtungen und Menschen mit Behinderungen umfassend ausweiten. Die Linke will sich für inklusive Medienarbeit einsetzten. Die Nutzung der Medien soll barrierefrei sein.

Die Linke will eine barrierefreie Mobilität. Der ÖPNV muss barrierefrei werden. 

Die Linke tritt für eine barrierefreie Gesundheitsversorgung ein. Dafür müssen die Wege dorthin barrierefrei sein.

Delme-Unternehmenskommunikation:

Das Wahlprogramm der Linkspartei liegt in einfacher Sprache vor. Darin tauchen Menschen mit Behinderung nicht explizit auf.

 

BÃœNDNIS 90 / DIE GRÃœNEN

Artjom Kirchgesner:

Die Grünen wollen einen inklusiven Arbeitsmarkt schaffen, damit Menschen mit Behinderung eine Chance haben, dort eine Arbeit zu finden.

Wenn Firmen Menschen mit Behinderung nicht einstellen wollen, dann sollen diese Firmen eine höhere Ausgleichssteuer zahlen. Aber wenn Firmen Menschen mit Behinderung einstellen, dann sollen sie eine Unterstützung erhalten.

Die Grünen wollen das System der Behindertenwerkstatt abschaffen. Stattdessen soll es Inklusionsunternehmen geben. Die Tagesförderstätten sollen in dem Prozess mit eingebunden werden. In den Inklusionsunternehmen wollen die Grünen Mindestlohn und die Arbeit im Inklusionsunternehmen absichern. 

Beim Wechsel von der Werkstatt für behinderte Menschen auf den ersten Arbeitsmarkt werden Menschen mit Behinderungen unterstützt.

Die Grünen wollen das Budget für Arbeit weiter ausbauen und die Menschen, die das Budget für Arbeit nutzen, wollen die Grünen in der Arbeitslosenversicherung absichern. 

Die Grünen setzten sich für eine inklusive Schule für Menschen mit Behinderung und ohne Behinderung ein. So können Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung zusammen lernen. Wenn Menschen von Anfang an zusammen lernen, kann so auf diese Weise eine inklusive Gesellschaft entstehen.

Die Grünen wollen eine Ganztagsschule für Kinder und Jugendlichen mit und ohne Behinderung. Die Schulbildung soll für Eltern, die Kinder und Jugendliche mit Behinderung haben, kostenlos sein. Die Kosten muss der Bund übernehmen. 

Die Grünen wollen den öffentlichen Nahverkehr barrierefrei machen. Der Nahverkehr soll weiter ausgebaut werden. Der ÖPNV soll für alle bezahlbarer werden.

Bus und Bahnsteige wollen die Grünen barrierefrei machen. Um die Fußwege und Radwege für alle zugänglich zu machen, wollen die Grünen die Fuß- und Radwege barrierefrei machen.

Mobilitätskonzepte wie ein Mobilitätspass wollen die Grünen für Menschen mit Behinderung zugänglich machen. 

Die Grünen wollen die Ausbildung der Kulturberufe für Menschen mit Behinderung fördern. 

Die Grünen wollen die Beantragung von Hilfsmittel vereinfachen. Das Gesundheitssystem wollen die Grünen inklusiver für Menschen mit Behinderung machen.

Delme-Unternehmenskommunikation:

Das Wahlprogramm von Bündnis 90 / Die Grünen liegt in übersetzter und geprüfter leichter Sprache vor.

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