Erster SCHICHTWECHSEL in der Delme

Delme beteiligt sich an bundesweitem Aktionstag am 16. September 2021

17. September 2021

In diesem Jahr haben die Delme-Werkstätten - als eine von vielen Werkstätten für Menschen mit Behinderung – gestern das erste Mal beim bundesweiten Aktionstag SCHICHTWECHSEL teilgenommen. SCHICHTWECHSEL bedeutet, dass für einen Tag Beschäftigte von Werkstätten ihren Arbeitsplatz mit Mitarbeitenden anderer Unternehmen tauschen – um gegenseitig Vorurteile abzubauen und auch damit Werkstattbeschäftigte unkompliziert in den allgemeinen Arbeitsmarkt schnuppern können: SCHICHTWECHSEL als SICHTWECHSEL.

Am Delme-Standort Diepholz ist für den SCHICHTWECHSEL eine Tauschpartnerschaft mit der Tagespflege einer Caritas-Seniorenresidenz entstanden. Mitgemacht haben die Beschäftigten Carola Grunz und Diana Araz sowie Kathrin Bockhorst, die Einrichtungsleitung des Caritas-Seniorenzentrums St. Josef:

Carola Grunz ist 31 Jahre alt und arbeitet in einer Gruppe für Verpackungs- und Montagearbeiten in der Werkstatt Diepholz. Sie wohnt zusammen mit ihren Eltern etwas außerhalb von Diepholz. Von dort kommt sie mit dem Bus zur Arbeit. Carola ist eine fröhliche junge Frau, die gerne mit Kolleg:innen Gesellschaftsspiele bei sich zuhause spielt oder mit ihnen Essen geht. Auch Wandern und Tanzen gehört zu ihren Hobbys. Carola hat erlebt, wie ihre leider bereits verstorbenen Großeltern von ihren Eltern gepflegt wurden. Vor diesem Hintergrund war sie gespannt auf den SCHICHTWECHSEL: „Ich kenne mich aus mit alten Leuten!“

Diana Araz ist 27 Jahre alt und eine Kollegin von Carola. Sie wohnt in einer Wohnheim-WG und kommt seit kurzem mit dem Fahrrad zur Arbeit in der Werkstatt. Wie auch Carola geht sie gern gemeinsam mit ihren Arbeitskolleg:innen aus der Gruppe zusammen essen und macht mehrmals pro Woche Sport. Diana ist sehr an der Arbeit mit und für ältere Menschen interessiert und hat sich schon immer gefragt, wie das so ist. Durch die Teilnahme beim SCHICHTWECHSEL und das Tagespraktikum im Seniorenzentrum wollte sie diese Arbeit kennenlernen und vielleicht hinterher ein Praktikum absolvieren: „Ich wusste gar nicht, dass so ein Wechsel geht.“

Für einen Tag haben Carola Grunz und Diana Araz also in der Tagespflege, die von Menschen mit und ohne Demenz besucht wird, mitgemacht und es war, so die Beiden einhellig „total gut“. Der Tagesablauf in der Tagespflege verlieft analog einem typischen Alltagstag, mit Frühstück, Zeitungsrunde, Besorgungen oder Spaziergängen, Mittagessen, Memory spielen und Kaffee & Kuchen. Die Caritas-Tagespflege liegt direkt gegenüber von einem Supermarkt, der den Tagespflege-Gästen sowohl Stoff zum „Leute anschauen“, als auch einen kurzen Weg, um mal eben fehlende Dinge zu besorgen, bietet. Die SCHICHTWECHSEL-Teilnehmerinnen haben bei allem mitgemacht, Mahlzeiten vorbereitet, Spiele mitgespielt, Staub gesaugt, Tische gedeckt und Teller angereicht. Carola Grunz hat sich sofort wohlgefühlt und war ganz in ihrem Element. Diana Araz hatte zunächst wortwörtlich etwas Berührungsängste und war dann erstaunt über sich selbst: „Irgendwann brauchte ein älterer Herr eine Stütze beim Laufen, und ich konnte ihm richtig helfen!“

Getauscht haben sie mit der 42-jährigen Diplom-Pflegewirtin Kathrin Bockhorst, Einrichtungsleitung des Caritas-Seniorentrums St. Josef. Sie bietet bereits zwei Außenarbeitsplätze für Werkstattbeschäftigte an und hatte vor diesem Hintergrund große Lust, beim SCHICHTWECHSEL mitzumachen. Mit dem Einsatz von Menschen mit Behinderung in der Betreuung und Begleitung von älteren Menschen macht sie schon seit längerer Zeit sehr gute Erfahrungen. Bereits bei einem früheren Arbeitgeber hat sie im Rahmen des Hausgemeinschaftskonzepts erlebt, wie Menschen mit Beeinträchtigung und einer Qualifikation als Alltagsbegleiter:in ein ganz besonderes Gespür für die Arbeit zeigen und zur Vielfalt beitragen.

An ihrem SCHICHTWECHSEL-Tag hat sie in einer Arbeitsgruppe der Diepholzer Werkstatt unter der Leitung von Anne Borchers kleinere Verpackungs- und Montagetätigkeiten übernommen und gleichzeitig viele Eindrücke über das Leistungsspektrum der Delme-Werkstätten und das Miteinander in der Gruppe gesammelt. Gruppenleitung Anna Borchers und die Kolleg:innen in der Gruppe haben sich und das vielfältige Spektrum an Arbeit und Kund:innen vorgestellt und Kathrin Bockhorst hat dabei mitgemacht: „Die professionelle Produktion, so richtig mit Lieferschein und allem Drum und Dran, hat mich schon überrascht und beeindruckt!“

 

Während am Delme-Standort Ganderkesee gab es einen SCHICHTWECHSEL etwas anderer Art. Dort haben der 52-jährige Delme-Beschäftigte Michael Rykaczewski und der 59-jährige Betriebsleiter Andreas Besser des Entsorgungsunternehmens [k]nord ihre „Schicht“ gewechselt:

Michael Rykaczewski arbeitet in einer Verpackungs- und Montagegruppe und übernimmt dort selbstständig Tätigkeiten wie das Zusammensetzen von Schraubensets, Kontrollwiegen, das Falten von Kartons oder das Zukleben von Einwegbehältnissen. Zusammen mit Gruppenleiter Udo Fuhrmann hat er seinen Tausch-Arbeitsplatz bei [k]nord bereits einmal vorher besucht und dort Anlagenleiter Gerrit Schulte kennengelernt. Außerdem hat er im Vorfeld natürlich schon passende Arbeitskleidung erhalten.

Am SCHICHTWECHSEL-Arbeitstag war Michael Rykaczewski vor allem in einer Bentonit-Aufbereitungsanlage, bei der Reinigung und Aufbereitung von Bohrschlämmen, eingesetzt. Die Anlage läuft zwar automatisiert, doch sie muss natürlich überwacht werden und jede Charge wird direkt im Labor überprüft. Anlagenleiter Gerrit Schulte begleitete ihn an diesem Tag, zeigte ihm die verschiedenen Tätigkeitsbereiche und was an diesem Tag so zu tun war. Neben der Aufbereitung konnte Michael Rykaczewski beim Fertigmachen von Ölabscheidern und beim Schreddern von Zollware dabei sein und unterstützen: „Delme-Beschäftigte sind sehr zuverlässig und kommen immer zur Arbeit, weil sie so motiviert sind. Sie sind bei uns voll integriert. Zusammen schauen wir, was nach und nach so möglich ist.“, so Gerrit Schulte über [k]nords bisherige Erfahrungen.

Andreas Besser, der sonst bei [k]nord als Betriebsleiter arbeitet, hat wiederum für einen Tag Rykaczewskis Job übernommen. Damit er aber insgesamt ein Bild vom Werkstattbetrieb erhalten konnte, hat er vorher eine kleine Führung durch die Werkstatt, insbesondere durch die Wäscherei der Werkstatt Ganderkesee erhalten. Im Arbeitsbereich von Michael Rykaczewski nahm er dann seinen Platz ein und wurde von Gruppenleitung Udo Fuhrmann in das Verpacken von Ölwannen eingewiesen.

Beim SCHICHTWECHSEL mitgemacht hat Andreas Besser vor dem Hintergrund der guten Erfahrungen von [k]nord mit Mitarbeitenden mit Behinderung, und um die Öffentlichkeit darüber zu informieren: „Die Unternehmen sollten offener werden und keine Argumente dagegen suchen. Es gibt immer Mittel und Wege, um Menschen mit Behinderung bei sich tätig werden zu lassen. Jeder Mensch hat seine Qualitäten, wie wir es bei [k]nord schon so oft gesehen haben. Auch für uns war das ein Lernprozess. Und obwohl ich selbst eine behinderte Tochter habe, die seit einiger Zeit in einer Werkstatt arbeitet, habe ich selbst noch nie länger in einer Werkstatt mitgemacht. Das habe ich heute das erste Mal, und ich fand es schon beeindruckend, was hier geleistet wird, wie viele Tausend Ölwannen hier beispielsweise jede Woche verpackt werden!“

[k]nord steht schon viele Jahre mit der Ganderkeseer Delme-Werkstatt und dem Qualifizierungs- und Vermittlungsdienst in Verbindung. Bereits zwei Beschäftigte wurden in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse übernommen, und vier weitere Beschäftigte arbeiten auf sogenannten Außenarbeitsplätzen beim Entsorgungsunternehmen. Sie sind dort sehr gut ins Team integriert und haben sich nach und nach weiterentwickelt. Sie besitzen so viel Vertrauen, dass auch sie die mächtigen Radlader fahren. Die Identifikation mit ihrem Arbeitgeber [k]nord ist groß, und das nicht nur weil die Radlader sogar ihre Vornamen tragen. Dafür gesorgt hat Geschäftsführer Andreas Lange, der durch die Anstellung von Delme-Beschäftigten einer „sozialen Verantwortung“ nachkommen und dafür sorgen möchte, dass Menschen mit und ohne Behinderung in seinem Unternehmen voneinander lernen können.

Michael Rykaczewski konnte sich am Ende seines SCHICHTWECHSEL-Tags gerade im Hinblick auf das freundliche Team bei [k]nord ein Praktikum dort nun gut vorstellen. Er war sehr beeindruckt, aber auch etwas eingeschüchtert: „Hier ist richtig viel los, und das viele Laufen ist ungewohnt. Da muss mein Körper erst mal hinterherkommen. Es ist anstrengend, aber gut so. Da weiß ich abends, was ich gemacht habe.“

Bei diesem ersten Mal wird es sicher nicht bleiben, für das Jahr 2022 haben sich die Delme-Werkstätten die Teilnahme beim SCHICHTWECHSEL wieder fest vorgenommen, an neuen Orten, mit neuen Partner:innen!

 

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